Kulturgüter kehrten am Dienstag an Herkunftsorte zurück
Die Landeshauptstadt Magdeburg hat am gestrigen Dienstag Kirchenglocken an die Johanneskirchengemeinde Hoyerswerda und an die Kirchengemeinde Nohra im unteren Eichsfeld übergeben. Nach Klärung der Herkunft einiger Glocken, die viele Jahre auf dem Hof der Johanniskirche standen, hatten die Kirchengemeinden um Rückgabe gebeten. Der Stadtrat stimmte in seiner Sitzung am 28. August zu, da die Glocken für die Stadt Hoyerswerda und die Landgemeinde Bleicherode ein wertvolles kulturelles Erbe darstellen, für die Magdeburger Stadtgeschichte jedoch von geringerer Bedeutung sind.
Vorrausgegangen war eine umfangreiche Recherche über die Herkunft von sechs Kirchenglocken, die auf dem Kirchhof nordöstlich der Magdeburger Johanniskirche lagerten. Fünf dieser Glocken sind aus Bronze, eine aus Harteisenguss. Auf Initiative des Stadtrates Olaf Meister konnten die Provenienzen, das heißt die mutmaßlichen Herkunftsgeschichten, für drei Bronzeglocken ermittelt werden. Demnach stammt eine Glocke aus St. Johannis in Hoyerswerda (Sachsen), eine aus St. Johannis in Nohra/Wipper (Thüringen) und eine aus der Kirche am Nordfriedhof in Magdeburg. Im Zuge der Recherchen wurde auch Kontakt zu den Herkunftsorten aufgenommen, die die Nachforschungen weiter unterstützten.
Die Glocken sind wahrscheinlich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nach Magdeburg gekommen. Ab 1940 wurden Kirchenglocken in ein Zentrallager in Hamburg eingeliefert, um das Metall in der Rüstungsindustrie wiederzuverwenden – nicht alle Glocken wurden letztendlich eingeschmolzen. Nach Kriegsende 1948 wurde dieser sogenannte „Glockenfriedhof“ aufgelöst, doch die Glocken aus Hoyerswerda und Nohra gelangten bei ihrer Rückführung elbaufwärts wahrscheinlich nur bis zum Zwischenlager in Magdeburg, von wo aus die regionale Rückverteilung erfolgen sollte. Bei vielen Glocken fehlten ursprünglich angebrachte Markierungen, sodass die Zuordnung der beiden Glocken zu ihren Herkunftsorten damals wahrscheinlich nicht mehr möglich war.
Die Zuordnung gelang letztendlich über die Inschriften der Glocke und den Abgleich mit einigen historischen Dokumenten. Das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt hatte bereits 2021 in einer Stellungnahme die Glocken als hochrangige Denkmäler der Kunst, Kirchen- und Liturgiegeschichte sowie Technik eingeschätzt. Um die Kulturgüter vor Diebstahl und Vandalismus zu schützen, wurden die fünf Bronzeglocken Anfang 2025 in ein geschütztes Lager gebracht.
Provenienz der Glocke aus Hoyerswerda
Eine Inschrift auf der Glockenwand nennt die Namen von fünf Personen und ihrer Ämter, darunter einen Kircheninspektor I.F.Benade. Gemeint ist vermutlich Johann Friedrich Benade (1743-1829), der ab 1784 Pfarrer und später Superintendent an der heutigen Johanneskirche in Hoyerswerda war.
Dieses Amt hatte er auch 1812 inne – ein Anknüpfungspunkt, denn in der online zugänglichen Chronik der Johanneskirche Hoyerswerda wird angegeben: „Im Jahre 1812 wurde die kleinere Glocke, die gesprungen war, durch Joseph Kittel aus Nixdorf in Böhmen umgegossen und neu aufgehängt. Ihr Gewicht war 17,5 Zentner.“ Dies passt zu den Angaben auf der Glocke. Die evangelische Johanniskirchengemeinde Hoyerswerda hat der Stadtverwaltung Magdeburg zudem nachgewiesen, dass die Glocke im Zweiten Weltkrieg abgegeben werden musste und in das genannte Zentrallager in Hamburg eingeliefert wurde.
Provenienz der Glocke aus Nohra
Die Glocke trägt die Inschrift: „Sankt Johannis / Anno domini MCCCCCIII“ und wurde somit im Jahr 1503 gegossen. Die Inschrift „Hilf got maria berot“ tritt in Kombination mit der Schutzherrschaft von St. Johannis regional gehäuft um 1500 auf Glockeninschriften im Unteren Eichsfeld auf. Mehrere Merkmale der Glockeninschrift weisen darauf hin, dass die Glocke einer Glockengruppe der Johanniskirche im Unteren Eichsfeld zugehörig ist. Diese Vermutung wurde zudem durch hinzugezogene Experten bestätigt. Die Glockenkrone passt exakt in den leeren dritten Platz des Glockenstuhls der Johanniskirche in Nohra. Darüber hinaus ist bekannt, dass die Kirche in Besitz einer 1503 gegossenen Glocke war.