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Der öffentliche Personenverkehr nimmt im Verkehrssystem der Landeshauptstadt Magdeburg gegenwärtig und in Zukunft einen besonderen Rang ein. Er hat zentrale Bedeutung für die Stärkung des Umweltverbundes entsprechend Szenario 1. Seine Integration in das regionale und überregionale Verkehrsnetz ist überdies wesentliche Voraussetzung für die zunehmende funktionale und wirtschaftliche Verflechtung des Oberzentrums Magdeburg.

ÖPNV zentraler Bausteindes Verkehrssystems

Mit der Durchführung des straßengebundenen Personennahverkehrs innerhalb der Landeshauptstadt ist die Magdeburger Verkehrsbetriebe GmbH & Co KG (MVB) im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages von der Stadt als Betreiberin beauftragt. Den Personennahverkehr in der Region Magdeburg koordiniert und gestaltet der Magdeburger Regionalverkehrsverbund (marego), dem die MVB mit acht weiteren kooperierenden Verkehrsunternehmen angehört. Die Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH (NASA) ist zuständig für die Planung, Bestellung und Finanzierung des Personennahverkehrs mit Regionalzügen und S-Bahnen. Darüber hinaus werden Buslinien, die ausgewählte zentrale Orte verbinden, in Aufgabenträgerschaft der Landkreise im Rahmen des Bahn-Bus-Landesnetzes durch die NASA GmbH gefördert. ln Kooperation mit dem Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV) und den beteiligten Verkehrsunternehmen betreibt sie die Fahrplanauskunft INSA. Damit bestehen optimale Voraussetzungen für die großräumige Vernetzung des öffentlichen Personenverkehrs in Stadt und Region.

Trotz hoher Investitionenerheblicher Optimierungsbedarf

Die gegenwärtige Situation des ÖPNV in Magdeburg ist zum einen durch umfangreiche Infrastrukturinvestitionen,
zum anderen aber durch rückläufige Fahrgastzahlen gekennzeichnet. Ungeachtet eines wachsenden Anteils des Umweltverbundes beim Modal Split in den vergangenen Jahren hat sich der des ÖPNV im gleichen Zeitraum kontinuierlich verringert. Als Ursachen dafür kommen zahlreiche Faktoren in Betracht. Nicht nur die Großbaustelle Ernst-Reuter-Allee, sondern auch Baumaßnahmen oder Reparaturen am Schienennetz sind Gründe für Verspätungen und mangelnde Anschlusssicherheit. Hinzu kommen eine relativ niedrige Reisegeschwindigkeit
im ÖPNV, Erschließungsdefizite in peripheren Bereichen sowie verbesserungsbedürftige
digitale Fahrgastinformationen.

Strategische Prioritäten im Nahverkehrsplan benannt

Um die künftige Anziehungskraft des ÖPNV und damit eine Erhöhung der Fahrgastzahlen zu gewährleisten, ist eine Vielzahl von Strategien auf mehreren Ebenen erforderlich, die unter anderem im Nahverkehrsplan der Landeshauptstadt Magdeburg ab 2018 (Beschluss -Nr:1970-056(VI)18) benannt sind. Dazu zählt neben einem breiten Spektrum organisatorischer Maßnahmen auch die Konsolidierung und Erweiterung von Service- und Mobilitätsangeboten.

Strategien

  • ÖPV_01: Im Hinblick auf einen zuverlässigen und alle Netzkomponenten integrierenden Be-trieb sorgt die MVB mit der LHMD für eine tagesaktuelle Koordination und Überwa-chung sämtlicher fahrplanrelevanter Bau- und Instandhaltungserfordernisse.
  • ÖPV_02: Die LHMD setzt sich in Abstimmung mit der MVB für die Verbesserung und Verknüp-fung des ÖPNV-Angebots ein. Das betrifft hauptsächlich durchgängige Taktzeiten im Straßenbahn- und Busverkehr und deren Abstimmung mit S-Bahn sowie Regional-zügen und -bussen, die mit einem marego-Ticket nutzbar sind. Dabei ist die Erreich-barkeit jedes Zieles im Stadtgebiet innerhalb eines Luftlinien-Radius von durchschnitt-lich 4 km vom Hauptbahnhof aus in maximal 30 Minuten anzustreben.
  • ÖPV_03: Die LHMD und MVB prüfen Möglichkeiten zur Erweiterung eines einheitlichen 10-Minutentaktes in Hauptverkehrszeiten auf alle wichtigen Linien und eines lediglich auf Nebenstrecken begrenzten 15 – 20-Minutentaktes.
  • ÖPV_04: Auch außerhalb der Hauptverkehrszeiten – besonders nachts – ist ein Angebot ggf. mit kleineren Fahrzeugen oder alternativen Mobilitätsangeboten sicherzustellen und ein, dem Privatauto überlegener Bedienstandard zu gewährleisten (siehe MoZu_01).
  • ÖPV_05: Erforderliche Angebotsverbesserungen sind namentlich in einigen zentrumsfernen Bereichen sowie bei der Feinerschließung verschiedener Quartiere zu prüfen.
  • ÖPV_06: Die LHMD erarbeitet gemeinsam mit der MVB ein integriertes Maßnahmenkonzept zur Erhöhung der Reisegeschwindigkeit im ÖPNV sowie zu dessen Bevorrechtigung mit dem Ziel einer Erhöhung der Pünktlichkeit und Anschlusssicherheit im gesamten System (siehe VMa_05).
  • ÖPV_07: Die Steuerung der Lichtsignalanlagen betrifft insbesondere die fahrplanabhängige Bevorrechtigung für den ÖPNV in mehreren Stufen (erhöhte Priorität bei Verspätung nicht jedoch bei Verfrühung) mit dem Ziel eines Betriebs ohne zeitliche Verzögerung, einer absoluten Bevorrechtigung des ÖPNV vor allen anderen Verkehrsarten und damit einer Vermeidung jeglicher Verlustzeiten (Maßnahme Nr. 17).
  • ÖPV_08: Die LHMD verstärkt ihre Bemühungen, die barrierefreie Nutzung und Zugänglichkeit wichtiger, noch nicht entsprechend umgebauter Bus- und Straßenbahnhaltestellen gemäß der Stadtratsbeschlüsse (SR-Nr. 780-028(VII)21 und SR-Nr.1248-041(VII)21) zu gewährleisten (Maßnahme Nr. 4).
  • ÖPV_09: Die MVB wird mit der Eröffnung der 2. Nord-Süd-Verbindung und der Inbetriebnah-me neuer Fahrzeuge Komfort und Platzangebot sowie Möglichkeiten der Fahrrad-, Rollstuhl- und Kinderwagenmitnahme verbessern. Das betrifft auch digitale Informa-tionen zu den Mitnahmemöglichkeiten, den Kapazitäten und den betreffenden Linien.
  • ÖPV_10: Im Zuge einer Weiterentwicklung der Netzkonzeption für den ÖPNV sind Parallel-verkehre zu vermeiden.
  • ÖPV_11: Innerhalb des Verkehrsverbundes marego ist die Verknüpfung aller Verkehrsunter-nehmen in einem integrierten Verkehrssystems weiter zu optimieren. Dazu gehören eine übersichtliche Tarifgestaltung, eine nutzungsfreundliche Informations- und Kom-munikationsstrategie sowie optimierte Umsteigebeziehungen mittels abgestimmter Fahrpläne und attraktiver Umsteigeknoten mit kurzen Wegen.
  • ÖPV_12: Die LHMD setzt sich in Abstimmung mit MVB, marego und NASA GmbH für die Ent-wicklung und Einführung eines einheitlichen E-Tarifs im ÖPNV ein mit dem Ziel einer intensiven multi- und intermodalen Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsunterneh-men sowie einer Reduzierung von Hemmnissen in Bezug auf die ÖPNV-Nutzung.
  • ÖPV_13: Die LHMD treibt gemeinsam mit MVB und marego die Harmonisierung der Tarife im Großraum Magdeburg voran ebenso wie die Entwicklung alternativer Ticket-Angebote und die Einführung bargeldloser E-Tickets.
  • ÖPV_14: Die LHMD schafft in Abstimmung mit der MVB die Voraussetzungen zur Einführung eines kostenfreien Schülerinnen- und Schülertickets.
  • ÖPV_15: Im Zuge eines verbesserten Beförderungsangebotes und mit Blick auf die Gewinnung neuer Fahrgastgruppen sowie auf Erfahrungen anderer Städte prüft der marego eine Umstrukturierung des Tarifgefüges. Ziel ist die Erhöhung der Zahl der Abonnement-kundinnen und -kunden. Das betrifft im Detail die Erhöhung der Kosten für den Einzel-fahrschein, eine Verbilligung der Monats- und Jahresabonnements sowie die angestrebte Erhöhung des Anteils an Job-Tickets.
  • ÖPV_16: LHMD und MVB betreiben in Abstimmung mit der NASA GmbH die Einführung einer intermodalen Mobilitätsplattform unter Integration der Verkehrsangebote und des landesweiten Nahverkehrsinformationssystems „INSA“ (siehe MMA_17).
  • ÖPV_17: Ebenfalls in Abstimmung mit der NASA GmbH hat die Bereitstellung von Auskünften in Echtzeit zu verfügbaren Verbindungen, Netzplänen, Abfahrtszeiten wie auch zu aktuellen Störungen und dadurch bedingten Verspätungen besondere Priorität.
  • ÖPV_18: In Abstimmung mit der NASA GmbH strebt die LHMD den Auf- und Ausbau eines leistungsfähigen S-Bahnnetzes an, welches Umland und Stadtrand mit der Innenstadt, wichtigen Verkehrsknotenpunkten aber auch mit Gewerbegebieten verbindet. Dies betrifft auch eine Sicherung der Anschlüsse am Hauptbahnhof zum Fernverkehr und zum städtischen ÖPNV.
  • ÖPV_19: Das Netz soll in seiner ersten Ausbaustufe – neben der bestehenden Linie S1 – zu-mindest Strecken nach Haldensleben, Burg, Gommern, Calbe, Förderstedt, Blumen-berg und Ochtmersleben sowie zum Eulenberg umfassen. Die neuen Strecken sollten von Montag bis Samstag mindestens halbstündlich bedient werden.
  • ÖPV_20: Zusammen mit dem Auf- und Ausbau des S-Bahnnetzes ist ein Konzept für die lang-fristige Weiterentwicklung und Schaffung weiterer Halte- und Umstiegspunkte im Stadt-gebiet der Landeshauptstadt Magdeburg zu erarbeiten.
  • ÖPV_21: Zur besseren Verknüpfung übergreifender ÖPNV-Angebote sowie zur optimalen An-bindung der Innenstadt und anderer Stadtteile sind Schnittstellen zwischen dem städtischen und dem regionalen ÖPNV an geeigneten Standorten einzurichten, bzw. vorhandene Schnittstellen zu ertüchtigen.
  • ÖPV_22: Die LHMD überprüft gemeinsam mit MVB und Technischer Aufsichtsbehörde die Op-tion für Taxis, die Straßenbahngleise zu befahren dort, wo dies technisch möglich ist.
  • ÖPV_23: Die LHMD prüft gemeinsam mit den benachbarten Aufgabenträgern und unter früh-zeitiger Beteiligung der Verkehrsunternehmen, inwieweit Verbindungen zu Arbeits-platzstandorten in angrenzenden Kommunen zu optimieren sind. Das betrifft u.a. – ab-hängig von der Entwicklung des gemeinsamen Industrie- und Gewerbegebietes mit der Gemeinde Sülzetal – dessen verbesserte Erreichbarkeit durch den Regionalbus-verkehr. Gleiches gilt für das Industriegebiet Osterweddingen. Für das Gewerbe-gebiet Eulenberg ist zu prüfen, ob seine leistungsfähige Anbindung mittels einer Ver-längerung der Straßenbahntrasse von Sudenburg über Ottersleben erfolgen kann.
  • ÖPV_24: Die LHMD verpflichtet sich, an Schnittstellen direkte Umsteigewege ohne Höhen-überwindung zu gewährleisten, um den Umstieg für alle Fahrgäste so bequem wie möglich zu gestalten.
  • ÖPV_25: Die LHMD sorgt mit der MVB für die Einrichtung komfortabler Übergangsmöglich-keiten zwischen Auto oder Fahrrad und dem ÖPNV an Schnittstellen mit dem Ziel, Reiseketten zu optimieren, Reisezeiten zu verkürzen und damit neue Kundenpoten-tiale für den ÖPNV zu erschließen (siehe Kapitel „Vernetzte Mobilität“ VeMo 06).
  • ÖPV_26: Die MVB entwickelt gemeinsam mit marego und einschlägig erfahrenen Fachleuten eine Marketingstrategie. Sie soll dazu dienen, unterschiedliche Personengruppen ent-sprechend ihren spezifischen Bedürfnissen über Mobilitätsangebote zu informieren und zu beraten, um damit neue Fahrgäste zu gewinnen. Ziel ist es ebenfalls, über Testangebote (z. B. „Schnuppertickets“), die Vermarktung von Kombitickets sowie durch Informationen zu Linien und Zielen im Freizeitverkehr einen erweiterten Kun-denkreis zu erschließen. (siehe Kapitel „Mobilitätsmanagement“ MMa 08).
  • ÖPV_27: Die Marketingstrategie widmet sich neben einer auf unterschiedliche gesellschaftli-che Gruppen ausgerichteten Öffentlichkeitsarbeit besonders auch Fragen der Tarif-gestaltung und des Vertriebs. Weitere Punkte sind die Einführung IT-gestützter In-formations- und Nutzungsmöglichkeiten wie digitaler Fahrausweise (E-Ticket), ver-besserte Mobilitäts- bzw. Serviceangebote wie z.B. Gepäcktransport und -aufbewah-rung, verknüpfte Mobilitätsdienste einschließlich sogenannter „Mobilitätspakete“ (siehe Kapitel „Vernetzte Mobilität“ VeMo 08).
  • ÖPV_28: In Abstimmung mit benachbarten Umlandgemeinden sowie mit dem Verkehrsverbund marego wird die LHMD Möglichkeiten zur Einrichtung und Trägerschaft zusätzlicher gut ausgestatteter P+R- (Auto) sowie B+R (Fahrrad)-Anlagen an der Stadtgrenze prüfen. Das betrifft ggf. auch entsprechende Anlagen an der Peripherie nach Fertig-stellung der 2. Nord-Süd-Verbindung der Straßenbahn. Die B+R-Anlagen sind mit diebstahlsicheren, nach Möglichkeit witterungsgeschützten und ausreichend beleuch-teten Abstellmöglichkeiten auszustatten (siehe Kapitel „Vernetzte Mobilität“ VeMo 03).
  • ÖPV_29: Im Interesse der Bereitstellung eines flächendeckenden Mobilitätsangebotes prüft die MVB Möglichkeiten einer Umstrukturierung ihrer Busflotte. Gegenstand der Prüfung ist insbesondere die Option, neben den derzeit verkehrenden Linienbussen auch kleinere sowie ggf. auch autonome – elektrisch betriebene Fahrzeuge einzusetzen.