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Leberecht Uhlich

 

 

 

 

Uhlich, Leberecht Johann Jakob Markus

geb. 27. Februar 1799 in Köthen
gest. 23. März 1872 in Magdeburg

Pfarrer, Begründer der Freien Gemeinde

 

 

U. erblickte als Sohn eines Schneiders das Licht der Welt. Schon als Schüler sog er die auf den Grundsätzen der menschlichen Vernunft fußenden Gedanken des theologischen Rationalismus auf. So begann er 1817 das Theologiestudium in Halle, dem Zentrum des theologischen Rationalismus in Deutschland. Im Herbst 1820 legte er sein Examen ab und war dann bis 1824 Volksschul- und Privatlehrer in Köthen. In Diebzig/ Anhalt erhielt er seine erste Pfarrstelle. 1826 siedelte er nach Pömmelte bei Schönebeck/ Provinz Sachsen über. Ein Jahr später heiratete er Clara Flamant (1800-1882), Tochter eines Steingutfabrikanten in Bernburg. Bis 1845 war U. als Pfarrer in Pömmelte tätig. Seine kirchliche Arbeit war tief von seinen rationalistischen Anschauungen durchdrungen und stand im Gegensatz zu den staatlicherseits unterstützten orthodoxen Pietisten. In seinem Haus traf er sich mit Gleichgesinnten, um über aktuelle religiöse Fragen zu diskutieren. Als im „Magdeburger Bilderstreit“ der rationalistisch ausgerichtete Pfarrer Wilhelm Franz Sintenis (1794-1859) wegen seiner Kritik an einem sentimentalen Christusgemälde hart diszipliniert wurde, lud U. am 29. Juni 1841 die führenden Vertreter des theologischen Rationalismus der Provinz nach Gnadau ein, um zu beraten, wie man dem Druck entgegentreten könne. So ging der 29. Juni 1841 als Gründungstag der „Protestantischen Freunde“ (Lichtfreunde) in die Geschichte ein. Daraus entwickelte sich eine Sammelbewegung der theologischen Rationalisten, in vielen Orten bildeten sich Vereine der „Lichtfreunde“. Zweimal jährlich wurden seit 1842 Hauptversammlungen in Köthen abgehalten, die U. organisierte und leitete. Zur Verbreitung der Gedanken trug das von ihm gegründete und ab 1842 mit herausgegebene Hauptorgan der „Lichtfreunde“, das Wochenblatt „Blätter christlicher Erbauung von protestantischen Freunden“, bei. U. reiste viel, nahm an Bürger- und Volksversammlungen teil und erwarb sich durch seine Reden vielerorts in der Bevölkerung, insbesondere beim liberalen Bürgertum, hohe Achtung. Die politischen Akzente der Bewegung wurden immer stärker, so dass die Versammlungen der „Lichtfreunde“ in Preußen zunächst unter polizeiliche Aufsicht und im August 1845 verboten wurden. In Magdeburg war in jener Zeit die 2. Predigerstelle an der Katharinenkirche frei. Trotz Widerstandes seitens des Konsistoriums und des Kultusministeriums setzte der Vorstand der Katharinengemeinde die Berufung U. s durch. Hinter dem Vorstand standen die Magdeburger Liberalen. Tausende Magdeburger empfingen U. am 1. Oktober 1845 am Bahnhof und begleiteten ihn in seine Wohnung in der Dreiengelstraße. Vom Tage seiner ersten Predigt an war die Katharinenkirche stets überfüllt, wenn U. predigte. Er konnte die Menschen für seine Ideen begeistern und fand die passenden Worte zur Kritik der  bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse. Ab Oktober 1846 organisierte er Abendversammlungen in seiner Wohnung, die Polizei untersagte die Zusammenkünfte im Dezember 1846. Am 13. September 1847 wurde U. von seinem Amt als Prediger suspendiert. Das Konsistorium hatte in Verkennung der tatsächlichen Lage nicht mit einer starken Gegenwehr gerechnet. Eine von 20000 Magdeburgern unterzeichnete  Bittschrift von Magistrat, Stadtverordneten und Kirchenkollegen vom 27. September 1847, in der sie um freiere Praxis in kirchlichen Angelegenheiten baten, blieb wirkungslos. Am 30. November 1847 trat U. mit 116 engeren Anhängern aus der Kirche aus. Er gründete die von Staat und Kirchenleitung unabhängige „Freie Gemeinde“, die ihn zu ihrem Prediger wählte. Die Magdeburger „Freie Gemeinde“ zählte Anfang 1848 etwa 8000 Mitglieder und wurde die größte ihrer Art in Deutschland sowie ein Zentrum der oppositionellen Bewegung gegen den preußischen Staat.

Die Bekämpfung der „Freien Gemeinde“ seitens des Konsistoriums und der Polizei gab letztlich den Anstoß für den Ausbruch der revolutionären Bewegung in Magdeburg am 15. und 16. März 1848.  U. wurde zu ihrem Symbol. Am 18. März  1848 erhielt er die schon im September 1847 von den Stadtverordneten beantragte, aber wegen der Suspendierung verschobene Ehrenbürgerwürde der Stadt. U. sprach sich in seinen Reden für die Revolution aus, würdigte auch die Berliner Märzgefallenen. Im April 1848 zog U. mit dem Mandat des Kreises Neuhaldensleben in die Preußische Verfassunggebende Versammlung ein und gehörte als gemäßigter Liberaler dort dem linken Zentrum an. Nach Gründung des Vereins zur Wahrung der Volksrechte im Dezember 1848 in Magdeburg schloss er sich diesem an.

Nach dem Scheitern der Revolution wurde die „Freie Gemeinde“ 1856 endgültig verboten, U. mehrfach zu Gefängnisstrafen verurteilt. Er verlor sein Vermögen. Erst in der Zeit der „neuen Ära“ in Preußen konnte 1859 seine Gemeinde unter dem Namen „Freie Religionsgesellschaft“ wiedererstehen. U. nahm in dem im gleichen Jahr geschlossenen „Bund der freireligiösen Parteien“ eine wichtige Stellung ein. Zudem engagierte er sich in Bildungs-, später Arbeiterbildungsvereinen, verfasste  noch zahlreiche religiöse sowie pädagogische Schriften und seine Autobiographie, die in seinem Todesjahr 1872 erschien.

Engelmann, Jürgen: Leberecht Uhlich (1799-1872), in: Tullner, Mathias (Hg.): Persönlichkeiten der Geschichte Sachsen-Anhalts, Halle 1898, S. 462-468; Myrrhe, Ramona: Carl Gustav Friedrich Hasselbach und der Kampf gegen die „Heiden“ in Magdeburg, in: Ballerstedt, Maren/Petsch, Peter/Puhle, Matthias: Carl Gustav Friedrich Hasselbach (1809-1882). Konservativer Oberbürgermeister einer dynamischen Stadt, Halle 2008 (= Magdeburger Schriften 1), S. 105-116; Pfarrerbuch der Kirchenprovinz Sachsen, Bd. 9: Biogramme Tr-Z, hg. vom Verein für Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen e. V. und anderen, Leipzig 2009.

 

Maren Ballerstedt