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Die klugen und die törichten Jungfrauen, 13. Jh.

unbekannter Künstler

Den Sphären weltlicher Machtgeschäfte entstrebend, scheint sich die mächtige gotische Kathedrale mit ihren Türmen, Türmchen und ihren zahllosen Fialen gleichsam im Himmel über ihr festhaken zu wollen. Spätestens vor den Figuren der Ecclesia und der Synagoge, die zu beiden Seiten der berühmten Klugen und Törichten Jungfrauen am Nordportal in der Vorhalle des Querhauses der Kirche postiert sind, wird deutlich, dass auch dieser "Heilige Gral" der Magdeburger Bildhauerei mit der Geschichte verstrickt ist, war und sein wird. Nach der historisch singulären Erfahrung des Holocaust, hat sich der Blick auf die beiden Figuren verändert, denn die ihnen innewohnende Idee eines blinden, geschlagenen Judentums ist in eine unfassbare, grausame, uns immer noch befremdliche Wirklichkeit mutiert. Dagegen trifft die furchtbare Drohung heute nicht mehr, die für den mittelalterlichen Menschen mit dem Gleichnis von den Klugen und Törichten Jungfrauen verbunden war. Es treten künstlerische und menschliche Momente vor eine einmal vordergründige Aussage. So konnte der Kunsthistoriker Otto von Simson herausstellen, dass der "Ausdruck heiterer Bewegtheit" in den Gesichtern der Klugen "in der Skulptur vielleicht niemals übertroffen worden" ist.