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Martin Luther, 1886

Hundrieser, Emil

Der Reformator Martin Luther ist die bürgerliche Persönlichkeit Deutschlands, der hier nicht nur das erste, sondern zugleich die bei weitem meisten Denkmäler gesetzt worden sind. Das Standbild Ludwig Rauchs in Wittenberg machte 1821 den Anfang. Ab 1883, dem Jahr seines 400. Geburtstages, ließen die deutschen Städte für einige Jahre gleichsam in Serie produzieren. Auch das Magdeburger Denkmal geht auf dieses Jahr zurück.

Plante man in diesen Jahren ein Standbild Luthers, orientierten die Künstler sich fast durchweg an der Figur, die Ernst Rietschel 1868 als Teil des von ihm entworfenen großen Wormser Lutherdenkmals geschaffen hatte. Im Kreis der Getreuen, die Rietschel dort um Luther versammelte, sitzt zwischen Melanchthon und dem Landgrafen von Hessen auch die Trauernde Magdeburg, eine Allegorie auf den Untergang der Stadt infolge ihrer Einnahme durch katholische kaiserliche Truppen unter Tilly und Pappenheim 1631. Ein Zweitguss der von einem Schüler Rietschels, Adolf von Donndorf, geschaffenen Plastik gelangte 1906 in das neu eröffnete Kaiser-Friedrich-Museum (Kulturhistorisches Museum) und befindet sich seit 1924 in der Johanniskirche. Das Lutherdenkmal stand ursprünglich direkt vor dem Westportal der Kirche auf deren Mittelachse und war dadurch schon vom Breiten Weg aus sichtbar. Seine jetzige Position nördlich der Kirchenfront verdankt es den Folgen des Zweiten Weltkrieges, in dem die ehemalige Marktkirche schwer zerstört wurde. Dadurch, dass man das Denkmal aus der Achse rückte, ihm einen schlichten Betonsockel richtete und die alte Inschrift "Gottes Wort mit uns in Ewigkeit" durch "Doctor Martin Luther 1524" ersetzte, versuchte die DDR-Kulturpolitik es in ihr weltliches System einzubauen.

Am 26. Juni 1524 hatte Luther auf Bitten des Magdeburger Bürgermeisters Nikolaus Sturm in der überfüllten Johanniskirche gepredigt. Es ging darum, die sich zunehmend radikalisierende reformatorische Bewegung in der Stadt in geordnete Bahnen zu lenken. Magdeburg war die erste große Stadt Norddeutschlands, die sich zur Reformation bekannte. 1526 trat sie dem Torgauer, 1531 dem Schmalkaldischen Bund lutherischer Landesfürsten bei, widersetzte sich der Rekatholisierung und widerstand der 1547 gegen sie verhängten Reichsacht. Weil zahlreiche protestantische Publizisten Zuflucht in Magdeburg suchten und hier ihre Schriften veröffentlichten, nannte man sie "unsers Herrgotts Kanzlei". Wilhelm Raabe, der einige Jahre als Buchhandlungsgehilfe in Magdeburg verbracht hat, schrieb später einen ganzen Roman darüber.

Gründe genug für ein Magdeburger Lutherdenkmal gab es somit. Da der Vorschlag jedoch erst in der Eröffnungssitzung der mit den Vorbereitungen zu den Reformationsfeierlichkeiten betrauten Kommission am 30. Dezember 1882 gemacht wurde, war die Zeit knapp. So kam es zur freihändigen Vergabe an den in der Stadt bereits bestens bekannten Emil Hundrieser. Und da bis zu den Feierlichkeiten am 10. November auch ein Guss der Figur nicht zu schaffen sein würde, begnügte man sich zunächst mit dem Gipsmodell, sammelte bis Oktober 1884 das nötige Geld ein, und beauftragte schließlich erst danach die Bronze.

Wie Rietschel bezieht sich Hundrieser auf die Szene, da Luther nach seiner Exkommunizierung durch den Papst auf dem Reichstag zu Worms vor Kaiser Karl V. den Widerruf seiner Schriften verweigerte, woraufhin ihn nach der päpstlichen Bulle nun auch die Reichsacht traf. Im Vergleich zu Rietschel versucht Hundrieser aber mit seinem Magdeburger Luther etwas, das sich als eine Art Stellungswechsel zu erkennen gibt. Statt mit dem rechten, lässt er den Reformator mit dem linken Fuß nach vorn treten. Die obligatorische Bibel wandert in entgegengesetzter Richtung, wodurch der linke Arm frei wird. Seine Hand kann sich nun - im doppelten Wortsinn gespreizt - auf den Teil der Brust legen, unter dem das Herz schlägt. Das wirkt theatralisch, entspricht aber der Intention des Bildhauers. Hundrieser lässt seinen Luther nicht mehr auf die Schrift pochen oder sie mehr oder weniger demonstrativ vorweisen. Im Arm des nach vorn tretenden, sich spürbar öffnenden Menschen, wird sie fast zur Neben- und der Mensch davor - dargestellt in sinnlicher Fülligkeit - zur Hauptsache.

Über den Künstler

Emil Hundrieser (geboren 13. Januar 1846 in Königsberg; gestorben 30. Januar 1911 in Berlin) war ein bekannter und erfolgreicher deutscher Bildhauer der Wilhelminischen Zeit.

LEBEN

Hundrieser studierte von 1865 bis 1868 an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin. Dort war er Meisterschüler des Bildhauers Rudolf Siemering, in dessen Atelier er nach dem Studium noch weitere acht Jahre arbeitete. Bei seinen eigenen Arbeiten ließ er sich schon bald stark von Reinhold Begas und dessen naturalistischen Stil des Barock und Rokoko beeinflussen. Bevor er ab 1873 als freischaffender Bildhauer in Berlin tätig wurde, unternahm er zahlreiche Studienreisen unter anderem nach Frankreich, Belgien und Österreich.

1892 wurde er als Mitglied in der Preußischen Akademie der Künste aufgenommen und übernahm 1895 dort eine Professur. 1905 wurde Hundrieser zum Direktor des Rauch-Museums berufen. Er schuf vorwiegend Statuen und Figuren für öffentliche Plätze und Gebäude. Nach seinem Tode wurde er auf dem Berliner Parkfriedhof in der Berliner Villenkolonie Lichterfelde-West beigesetzt.

WERKE

: Relief Rhein und Main, Hauptfassade der Alten Oper in Frankfurt am Main, 1880

: Denkmal Martin Luther für Magdeburg, 1886

: Entwurf für Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck, 1893, das Reiterstandbild wurde von der Firma Georg Ferdinand Howaldt, Inh. Paul Rinckleben, ausgeführt.

: Berolina, zunächst in Gips für den Potsdamer Platz, dann als Treibarbeit für den Alexanderplatz in Berlin, 1894, im 2. Weltkrieg abhanden gekommen, die Wiederherstellung als Guss ist geplant

: Reiterdenkmal Kaiser Wilhelm I. am Kyffhäuser, 1896

: Standbild v. Bismarck für Lübeck

: vier allegorische Figuren auf der Zollbrücke Magdeburg

: Portallöwen auf den Postamenten der Börse (Königsberg)

(Quelle: de.Wikipedia.org)