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Wissenschaft

Die luftigen Höhen der Wissenschaft

Mit seinen Experimenten hat Otto von Guericke gezeigt, dass man aus dem luftleeren Raum ziemlich viel herausholen kann. Schließlich hat er die Kolbenvakuumpumpe erfunden.

Peitschen durchschneiden knallend die Luft, Pferde verdrehen vor Anstrengung ihre Augen, tausende Menschen verfolgen das Schauspiel mit offenen Mündern. Sie haben Mühe, ihr Staunen über diese ungewöhnliche Darbietung zu verbergen: 16 Pferde, von denen acht in die eine und acht in die andere Richtung ziehen, schaffen es nicht, die beiden lose zusammengefügten Schalen einer Kupferkugel auseinanderzuziehen. Hexenwerk? Ein Taschenspielertrick?

Der leere Raum ist nicht gesetzlos

Wir schreiben das Jahr 1657, Schauplatz ist Magdeburg. Der Mann, der für diesen Tumult verantwortlich ist, heißt Otto von Guericke. Wahrscheinlich steht er an diesem Tag einige Schritte entfernt und schmunzelt in sich hinein – erfreut von dem Aufruhr, den er ausgelöst hat. Der Diplomat und Wissenschaftler mit dem spitzen Kinnbärtchen und dem wallenden, ergrauten Haar weiß: Magie ist nicht der Grund dafür, dass die beiden Halbkugeln 16 Pferden widerstehen. Es ist vielmehr die Kraft des atmosphärischen Luftdrucks, die in diesem spektakulären Experiment anschaulich wird. Mit einer Pumpe hatte er dem Gefäß jegliche Luft entzogen.

Heureka! Hier kommt die Kolbenvakuumpumpe

Was für Kolumbus der Seeweg nach Indien war, ist für Guericke der leere Raum: Dass es ihm so schnell gelingt, die weißen Flecken auf der wissenschaftlichen Karte zu tilgen, grenzt an ein Wunder – oder zeugt von dem großen Forschertalent Guerickes. Tatsächlich beschäftigt sich der Magdeburger in seinen Studienjahren weniger mit physikalischen Fragestellungen, sondern widmet sich in Leipzig, Helmstedt, Jena und Leiden vorwiegend den Rechtswissenschaften sowie dem Festungsbau. Erst in seinen Vierzigern beginnt Guericke, Untersuchungen zur Pneumatik anzustellen. Schnell gelingt dem Spätberufenen der Durchbruch: Fünf Jahre vor dem Regensburger Spektakel erfindet er die Kolbenvakuumpumpe und weist nach, dass sehr wohl Licht den luftleeren Raum durchdringen kann, nicht aber der Schall. Anwendungen wie die Windbüchse – also eine Art Vorläufer des Luftgewehres – folgen.

Guericke war aber nicht nur als Forscher und Erfinder ein Genie. Er war auch ein Meister in dem, was man heute PR nennt. Mit Aufsehen erregenden Experimenten demonstriert er seinen Zeitgenossen die Möglichkeiten der Wissenschaft. Der Magdeburger Halbkugelversuch prangt seit 1969 auf der Medaille der Amerikanischen Vakuumgesellschaft.

Keine Angst vor dem »horror vacui«

Guericke weist nach, dass der atmosphärische Luftdruck stärker ist als das Vakuum und widerlegt die lang gehegte These vom »horror vacui«: Stoffe werden eben nicht vom luftleeren Raum angesaugt, sondern vom Umgebungsdruck hineingedrückt. Grenzen verschiebt der Forscher auf vielen wissenschaftlichen Gebieten. Astronomie, Elektrizitätslehre, Geographie – seine Neugier ist unstillbar. Wie wird das Wetter morgen? Guericke weiß es – er hat ein Barometer entwickelt, das er am Magdeburger Rathaus installiert, das so genannte Magdeburger Wettermännchen. So gehört der Mann, der bei Fürsten und Kaisern gut Wetter für Magdeburg macht, auch zu den Wegbereitern der Meteorologie

Zudem ist er Kosmologe. Seine »Magdeburger Versuche über den leeren Raum« sind für ihn der wissenschaftliche Beweis für den Bau des Weltgebäudes. Guericke will zeigen, dass der Raum zwischen den Sternen unermesslich und leer ist.

Als Otto von Guericke 1686 stirbt, verliert die Welt einen genialen Wissenschaftler und die Stadt Magdeburg einen ihrer bedeutendsten Söhne. Er schenkte der Menschheit einen tiefen Einblick in die Gesetze der Natur und erhielt im Gegenzug seinen festen Platz in der Geschichte der Wissenschaft genauso wie in den Annalen der Stadt Magdeburg.