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Der Fährmann und 5 Reliefs, 1972/1974

Roßdeutscher, Eberhard

Das plastische Ensemble Der Fährmann ist bis heute die bemerkenswerteste künstlerische Arbeit an der 1974 als "Promenade der Völkerfreundschaft" eingeweihten nördlichen Elbuferpromenade geblieben. Die fünf Reliefblöcke und die darin eingestellte Säule mit der namengebenden Figur des Fährmanns obenauf stehen direkt auf der Uferbefestigung, also an der Grenze von Land und Fluss, auf den die Arbeit direkt Bezug nimmt. "Die kraftvolle Pose, mit der der Fährmann das östliche (Elb)Ufer ansteuert, ist symbolisch zu verstehen. Mit dieser Kraft, die nötig ist, um übers Wasser zu kommen, wollte ich die Anstrengungen zeigen, die seit tausend Jahren von den am Strom lebenden Magdeburgern ausgehen, um über die Elbe hinweg Bänder des Handels zu schlagen, und mit kulturhistorischen Leistungen von ihrer Stadt zu berichten." In einer kleinen Broschüre, die anlässlich der Eröffnung der Promenade erschien, hat Roßdeutscher mit diesen Sätzen selbst die Intention seiner Arbeit zu erklären versucht. In den Reliefblöcken untersetzt er sie durch Darstellungen historisch verorteter, symbolisch verdichteter Szenerien. Die kleineren Reliefs darunter konkretisieren diese Szenen, indem sie auf ganz bestimmte historische Ereignisse verweisen, besondere Eigenheiten hervorheben oder einfach die Stadtwappen der Zeit wiedergeben.

Unter dem Großrelief, das dem internationalen Handelsplatz gewidmet ist, der Magdeburg im Mittelalter war, ist das der Verweis auf die Elemente und die Herrschaft der Kirche, des Glaubens, unter der die Stadt lebte. Die drei Eulen unter der Darstellung zur berühmten mittelalterlichen Gieß- und Dombauhütte sollen Klugheit, Weisheit und Begabung symbolisieren. In der Szene, in der Roßdeutscher die Erfindung der Luftpumpe durch Otto von Guericke würdigt, liefert er ausnahmsweise das Porträt einer konkreten historischen Persönlichkeit. Das Relief darunter antizipiert das zerstörte Magdeburg als künftige Barockstadt, die nicht nur ein Gefängnis haben sondern als stärkste preußische Festung gewissermaßen auch sein wird. Der vierte Block ist der Dichtung (Pegasus), aber vor allem Georg Friedrich Telemann gewidmet, aus dessen komischer Oper "Pimpinone" eine, offenbar vergebliche, Werbungsszene dargestellt wird. Das fünfte Relief führt in die Gegenwart. Roßdeutscher selbst schlug den Titel "Lehre und Produktion" dafür vor. Ist das Thema der Internationalität - beglaubigt durch den historischen Fond - in den übrigen Reliefs selbstverständlich anwesend, scheint es hier mit der Figur des im Vordergrund sitzenden Afrikaners nur demonstrativ behauptet zu werden. Im unteren Relief wird an die Bombardierung Magdeburgs am 16. Januar 1945 erinnert und ein Neuaufbau in Frieden beschworen, wobei das dargestellte Stadtwappen auf einen Entwurf der 1920er Jahre zurückgeht.

Entsteht während der 1960er und 70er Jahre in Roßdeutschers Ateliers ein weitgehend homogenes, an den Errungenschaften der Klassischen Moderne orientiertes Kleinplastisches Werk, bleibt ihm das in der Großplastik versagt. In den wenigen freien Arbeiten, die um die Mitte der 1970er Jahre dort entstehen, dringt er aber zu einer weitgehend freien, abstrahierenden bzw. parallel zur Natur aufgebauten Figürlichkeit vor.

Auch in den gedrungenen, betont unrealistisch voluminösen Figuren der Fährmann-Reliefs schöpft Roßdeutscher aus einem Repertoire verwandter, abstrahierter körperlicher Archetypen. Dieses Kontinuum der Form zielt über die konkreten Inhalte hinaus auch auf ein zeitliches Kontinuum, das die Spannung historischer Differenzierungen in einem wie immer gearteten Fluss menschlicher Existenz auflösen möchte.

Über den Künstler

Eberhard Roßdeutscher war Bildhauer, Plastiker und Restaurator (geb. 28.01.1921 in Weißenfels,

gest. 27.05.1980 in Magdeburg).

Nach der Schulzeit in Magdeburg lernte R. 1937/40 Steinmetz und Steinbildhauer im Betrieb seines Vaters, des Bildhauers Max R. Hier kam es zu ersten Begegnungen mit Magdeburger Künstlern, u. a. mit Franz-Jan Bartels. Gleichzeitig besuchte er Abendkurse an der Schule für Graphik und Gestaltendes Gewerbe Magdeburg.

1945 wurde er als künstlerischer Nachwuchs im Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands bei Bruno Beye, Herbert Stockmann und Hermann Bruse aufgenommen. 1946 nahm er an der Staatlichen Kunstschule Bremen bei Herbert Kubica ein Studium auf, wurde 1949 Mitglied der Kammer der Kunstschaffenden Sachsen-Anhalts; hier kam es zu Begegnung mit Gustav Weidanz, Richard Horn, Gerhard Geyer u. a.

Von 1955 bis 1963 wirkte er als Gastdozent an der Kunstschule in Magdeburg. R., der seit 1952 freischaffend in Magdeburg arbeitete, wandte sich 1954 der Arbeit an der Kleinplastik zu und schuf vor allem Porträt- und Tierplastiken (u. a. Brunnenplastik Flamingos, Schönebeck/Elbe, 1957). 1961 schloß er mit dem VEB Schwermaschinenbau Georgi Dimitroff Magdeburg einen Werkvertrag ab und begann die Arbeit am Mahnmal der Magdeburger Widerstandskämpfer. Seit 1967 nahmen Denkmalgestaltungen und größere plastische Ensembles immer breiteren Raum in seinem Schaffen ein.

1975 initiierte er die nun jährlich ausgetragenen Bildhauersymposien in Ummendorf, an denen er bis 1978 teilnahm. Gesundheitlich bedingt, wandte er sich anschließend erneut der Kleinplastik (Kleinbronzen und -terrakotten) zu. R. wirkte neben seiner künstlerischen Arbeit in vielfältigen kulturpolitischen Gremien mit und wurde mehrfach geehrt.

WERKE

Denkmale und plastische Gestaltungen

: Steinschnitt am Bärbogen zum Wiederaufbau Magdeburgs, 1952

: Mahnmal Langenstein-Zwieberge, Bronze 1969

: plastisches Ensemble Der Fährmann, Elbuferpromenade Magdeburg, Kalkstein 1972/74

: sechs Magdeburger Originale, Fischerufer Magdeburg, Kalkstein 1976

: plastisches Ensemble Telemann und die 4 Temperamente, Bronze/Porphyr, 1981

RESTAURIERUNGEN

: sechs Schlußsteinköpfe und Giebelfigur am Barockhaus Domplatz 7, Magdeburg, Sandstein 1955

: Wandgestaltung mit 14 restaurierten Hauszeichen, Buttergasse am Alten Markt Magdeburg.

(Quelle: uni-magdeburg.de)