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Bismarck - Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen

Bismarck









Bismarck-Schönhausen, Otto  Eduard Leopold Fürst von

geb. 1. April 1815 in Schönhausen bei Stendal

gest. 30. Juli 1898 in Friedrichsruh bei Hamburg

Deichhauptmann, Reichskanzler

Der als „Reichsgründer“ in die Geschichte eingegangene B. wurde als Sohn des Rittmeisters a. D. Ferdinand von B. (1771-1845) und der Wilhelmine geb. Mencken (1790-1839) geboren. Während der Vater einem Junkergeschlecht der Altmark entstammte, war seine Mutter bürgerlicher Herkunft. Ein Jahr nach der Geburt zog die Familie auf das Gut Kniephof in Hinterpommern, wo B. seine frühen Kinderjahre verbrachte. Ab 1821 besuchte er die Plamannsche Erziehungsanstalt in Berlin, ab 1827 das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium und von 1830 bis 1832 das Gymnasium zum Grauen Kloster ebenda. In Berlin wurde der Sechszehnjährige von Friedrich Schleiermacher (1768-1834) konfirmiert. 1832 bis 1835 studierte er in Göttingen und Berlin Rechtswissenschaften. Nach dem Ersten Staatsexamen 1835 war er Auskultator („Zuhörer“, Gerichtsbeisitzer ohne Stimmrecht) beim Berliner Stadtgericht, wechselte dann auf eigenen Wunsch in den Verwaltungsdienst. 1836 wurde er Regierungsreferendar in Aachen, doch entwickelte er eine zunehmende Abneigung gegen bürokratische Tätigkeiten. Nach Ableistung seines Militärdienstes 1838 schied er aus dem Staatsdienst aus und widmete sich ab 1839 mit einem Bruder der Bewirtschaftung väterlicher Güter. 1845 erbte er die Güter Kniephof/ Pommern und Schönhausen und siedelte nach Schönhausen über, wurde 1846 Deichhauptmann an der mittleren Elbe und Abgeordneter des Jerichower Kreises im sächsischen Provinziallandtag. 1847 nahm er in Vertretung eines Abgeordneten am Ersten Vereinigten Landtag in Berlin teil, wo er mit einer von anderen Politikern sehr beachteten Rede auffiel. Er profilierte sich als konservativer Politiker und brillanter Rhetoriker. 1847 heiratete er Johanna von Puttkammer (1824-1894), mit der er zwei Söhne und eine Tochter hatte.

Die Revolution 1848/49 lehnte B. entschieden ab und stand loyal zur preußischen Monarchie. Im Revolutionsjahr 1848 gehörte er zu den Gründern der konservativen Neuen Preußischen Zeitung („Kreuzzeitung“), für die er viele Artikel verfasste. Im Juli 1849 erfolgte seine Wahl in die Zweite Kammer des preußischen Landtags, 1850 zugleich in das Erfurter Unionsparlament. Er trat als Gegner des Verfassungswerkes der Frankfurter Nationalversammlung und der preußischen Unionspolitik von 1850 auf. Im August 1851 ernannte ihn der König zum preußischen Gesandten beim Bundestag in Frankfurt/ Main, wohin die Familie nun übersiedelte. Das Amt des Deichhauptmanns überließ er einem Gutsnachbarn. Über sieben Jahre vertrat B. die Interessen des preußischen Staates auf dem Bundestag in Frankfurt. Als preußischer Gesandter war er dann seit Januar 1859 in St. Petersburg und seit Frühjahr 1862 in Paris tätig; er lernte damit wichtige Aspekte der europäischen Politik kennen. Schließlich fiel ihm die Aufgabe zu, im preußischen Heeres- und Verfassungskonflikt zu vermitteln. Im Herbst 1862 wurde er zum preußischen Ministerpräsidenten und zum Minister für auswärtige Angelegenheiten ernannt. Der Konflikt konnte 1866 beendet werden, wobei B. eine Spaltung der Liberalen erreicht hatte und mit den gemäßigten Liberalen paktierte. B. strebte in den sich zuspitzenden Auseinandersetzungen zwischen Preußen und Österreich die Hegemonie Preußens in Deutschland und Europa an. Preußen führte drei siegreiche Kriege: 1864 gegen Dänemark, 1866 gegen Österreich und 1870/71 gegen Frankreich. B. gelang – das war seine größte Leistung - der Zusammenschluss der süddeutschen Staaten mit dem Norddeutschen Bund zum Deutschen Reich unter Ausschluss Österreichs. Er löste die nationale Frage also im kleindeutschen Sinn und verwirklichte damit eine Forderung der Nationalversammlung von 1849. Mit der Gründung des Deutschen Reiches „von oben“ und seiner Ernennung zum Reichskanzler erreichte B. den Höhepunkt seines politischen Lebens. Er wurde für seine Verdienste um die Reichseinigung in den Fürstenstand erhoben; Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) schenkte ihm den Sachsenwald bei Hamburg.

Bis 1890 bestimmte B. als Reichskanzler, Vorsitzender des Bundesrates, preußischer Ministerpräsident und Außenminister die deutsche Politik entscheidend mit. Seine Außenpolitik war von Weitsicht, Pragmatismus und realpolitischer Einschätzung geprägt und auf Ausgleich bedacht. Um einen Krieg in der Mitte Europas zu vermeiden bzw. Deutschland nicht in einen Zweifrontenkrieg hineinzuziehen, entwickelte er ein kompliziertes Bündnissystem (Dreikaiserabkommen 1873 bis 1881, Zweibund 1879 bis 1918, Dreikaiserbündnis 1881 bis 1887, Dreibund 1882 bis 1914, Rückversicherungsvertrag mit Russland 1887 bis 1890), in dem Deutschland jeweils als Vermittler bzw. Bündnispartner auftrat und Frankreich eine isolierte Stellung zukam. Innenpolitisch setzte B. auf die Stärkung des preußisch-konservativen Profils des Reiches. Dazu gehörten zum Beispiel ab 1871 das Vorgehen gegen den politischen Katholizismus im Kulturkampf (u. a. Verbot politischer Predigten, Einführung staatlicher Schulaufsicht, Verbot des Jesuitenordens, Einführung der Zivilehe), der Kampf gegen die erstarkende Sozialdemokratie (Sozialistengesetz 1878 bis 1890) und das Zusammengehen von ostelbischen Junkern mit der Schwerindustrie in der Schutzzollpolitik (1879). Um die Arbeiterschaft, die sich durch das Sozialistengesetz vom Staat entfremdet hatte, wieder dem Staat anzunähern, führte B. die weltweit als vorbildlich geltende Sozialgesetzgebung ein: 1883 die Krankenversicherung, 1884 die Unfallversicherung, 1889 die Alters- und Invalidenversicherung. Doch gelang es B. weder mit dem repressiven Sozialistengesetz noch mit dem fortschrittlichen Sozialversicherungssystem, die Sozialdemokratie zu schwächen. Sie stieg bei den Reichstagswahlen 1890 zur stärksten Partei auf. Meinungsverschiedenheiten B.s mit dem seit 1888 regierenden Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) führten 1890 zu seinem Ausscheiden aus der Politik. Zu dieser Zeit war er längst zum Mythos geworden. Die  1. Auflage seiner Erinnerungen mit 300 000 Exemplaren war bereits in seinem Todesjahr vergriffen. Dem „bedeutendsten Staatmann der deutschen Geschichte“ (Winkler) widerfuhren zahlreiche Ehrungen zu Lebzeiten und nach seinem Tod. Die Stadt Magdeburg verlieh ihm anlässlich seines 60. Geburtstages 1875 das Ehrenbürgerrecht, benannte später eine Straße sowie eine Schule nach ihm und widmete ihm ein gewaltiges Denkmal auf dem Scharnhorstplatz (heute Friedensplatz). Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand sein Name aus dem Stadtbild.


Winkler, Heinrich August: Ein Junker als Revolutionär. Zum 100. Todestag Otto von Bismarcks, in: ders.: Auf ewig in Hitlers Schatten? Über die Deutschen und ihre Geschichte, München 2007, S. 25-32; Heinrich, Guido/Schandera, Gunter: Magdeburger Biographisches Lexikon 19. und 20. Jahrhundert, Magdeburg 2002;
http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_von_Bismarck.

Maren Ballerstedt