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Paul von Beneckendorff und von Hindenburg

  

 

 

 

 

 

Hindenburg, Paul Ludwig Hans Anton von Beneckendorff und von

geb. 02. Oktober 1847 in Posen, gest. 02. August 1934 auf Gut Neudeck,

Generalfeldmarschall, Reichspräsident

 

H. entstammte väterlicherseits einem alten Adelsgeschlecht. Der Sohn des preußischen Majors und Gutsbesitzers Robert H. (1816-1902) und seiner bürgerlichen Ehefrau Luise geb. Schwikkart (1825-1893) besuchte kurze Zeit das Gymnasium in Glogau, von 1859 bis 1866 die Kadettenanstalten in Wahlstatt, Kreis Liegnitz und Berlin. 1866 trat er als Leutnant in die Armee ein und bewährte sich im Feldzug in Böhmen, u. a. in der Schlacht bei Königgrätz. Nach dem Krieg von 1870/71, an dem er als Regiments-Adjutant teilnahm, war seine weitere militärische Laufbahn durch den Wechsel von Truppen- und Generalstabsdienst gekennzeichnet. Er besuchte zunächst von 1873 bis 1876 die Kriegsakademie. Ab 1877 diente er im Großen Generalstab, fand in Stettin, Königsberg sowie 1884/85 als Kompaniechef in Fraustadt in der Provinz Posen Verwendung. 1879 hatte er Gertrud von Sperling (1860-1921), Tochter des preußischen Generalmajors Oskar von Sperling (1814-1872) geheiratet.

Ab 1885 war H. wieder in Berlin im Großen Generalstab eingesetzt, lehrte auch an der Kriegsakademie. 1888 hielt er zusammen mit anderen Offizieren Totenwache für den aufgebahrten Leichnam des verstorbenen Kaisers Wilhelm I. (1797-1888). In den folgenden Jahren leitete er bis 1893 die Abteilung Infanterie im Kriegsministerium. Im Anschluss wurde er Kommandeur eines Infanterie-Regiments in Oldenburg und im Jahre 1896, inzwischen zum Oberst befördert, Chef des Generalstabes des VIII. Armeekorps in Koblenz. 1897 avancierte er zum Generalmajor, 1900 erfolgten seine Beförderung zum Generalleutnant und die Ernennung zum Kommandeur der 28. Division in Karlsruhe. 1903 trat er seinen Dienst als Kommandierender General des IV. Armeekorps in Magdeburg an. Sein Sitz befand sich in der Augustastraße 42 (heute Hegelstraße). Zu seinem Wirken in Magdeburg vgl. den Aufsatz von Mathias Tullner im vorliegenden Band.

Nachdem H. 1911 altersbedingt und mit dem Schwarzen Adlerorden ausgezeichnet aus der Armee verabschiedet wurde, verlegte er seinen Wohnsitz nach Hannover. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 wurde H., der zunächst erfolglos um Übernahme eines Kommandos gebeten hatte, reaktiviert und noch im August 1914 zum Oberbefehlshaber der 8. Armee in Ostpreußen ernannt. Ab November 1914 war er „Oberbefehlshaber Ost“ über alle deutschen Truppen der Ostfront. Er arbeitete eng mit dem erfolgreichen Strategen Erich Ludendorff (1865-1937) zusammen. Die deutsche Armee schlug bei Tannenberg vom 26. bis 30. August 1914 und an den Masurischen Seen im September 1914 die russischen Truppen vernichtend. Dieser militärische Erfolg begründete den H.-Mythos, der in den nächsten zwei Jahrzehnten von breiten Bevölkerungsschichten und politischen Kräften jeweils in ihrem Sinne bedient und genutzt wurde.

Nur wenige Wochen nach der Schlacht bei Tannenberg – ihr Name geht auf H.s Vorschlag in Anlehnung an das Jahr 1410 zurück - verlieh die Stadt Magdeburg dem „Retter Ostpreußens“ ihr Ehrenbürgerrecht. Am 27. November 1914 wurde H. zum Generalfeldmarschall befördert.

Zusammen mit Ludendorff versuchte H., die Ostfront truppenmäßig zu stärken, um hier die Kriegsentscheidung zu erzwingen. Doch beide stießen auf den Widerstand Kaiser Wilhelms II. (1859-1941) und des Generalstabschefs des Feldheeres Erich von Falkenhayn (1861-1922), die im Westen die Kriegsentscheidung herbeiführen wollten. Nach dem Scheitern der Verdun-Offensive und der Entlassung Falkenhayns wurde H. am 29. August 1916 dessen Nachfolger, mit Ludendorff an seiner Seite. Die neue Oberste Heeresleitung entwarf unter dem Namen „H.-Programm“ einen Rüstungs- und Wirtschaftsplan, um alle Ressourcen zur Abwendung der sich abzeichnenden militärischen Niederlage Deutschlands zu nutzen.

Nach der Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg arbeitete H. mit der neuen Regierung bei der Rückführung und Auflösung des deutschen Heeres zusammen. Im Sommer 1919 trat er als Chef des Generalstabes zurück. Fortan lebte er wieder im Ruhestand in Hannover. Seine Popularität aber blieb und wuchs – von ihm selbst gepflegt - an, da der „Sieger von Tannenberg“ für viele den vergangenen Glanz Deutschlands und die nationale Einheit verkörperte. Mit der Verbreitung der Dolchstoßlegende wusste H., der während der Novemberrevolution dem Kaiser zum Thronverzicht und zum Verlassen des Landes geraten hatte, die republikfeindlichen Kräfte auf seiner Seite. Nach dem Tod Friedrich Eberts (1871-1925) wurde der parteilose H. 1925 als Kandidat der Rechtsparteien mit 14,7 Mio. Stimmen zum Reichspräsidenten gewählt.

Der Monarchist stand der Verfassung der Weimarer Republik vorerst loyal gegenüber. Mit zunehmender Krisenhaftigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft brach jedoch 1930 die Zeit der Präsidialkabinette an, in der die Reichskanzler mit Vollmacht des Reichspräsidenten ohne bzw. gegen das Parlament regierten. 1932 erfolgte im breiten Einvernehmen von Parteien, die die Wahl Adolf Hitlers (1889-1945) zum Reichspräsidenten zu verhindern suchten, einschließlich der Sozialdemokraten und des Zentrums, die Wiederwahl H.s., während die Kommunisten auf Ernst Thälmann (1886-1944) setzten.

Nachdem das Präsidialkabinett Kurt von Schleicher (1882-1934) Anfang 1933 gescheitert war, ernannte H. am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler. Diese Entscheidung traf er – wie die neue Forschung belegt - bewusst und eigenverantwortlich, da er nur so noch die Möglichkeit sah, die Einheit der Nation, den „Geist von 1914“, zu bewahren resp. wiederherzustellen. Der „Tag von Potsdam“, der 21. März 1933  (62. Jahrestag der Eröffnung des Reichstages des Kaiserreichs), an dem der neu gewählte Reichstag eröffnet wurde, symbolisierte mit der Verneigung Hitlers vor H. das Zusammengehen des Reichspräsidenten mit dem neuen Reichskanzler, für den der Weg zur Diktatur nun frei war. Wenige Tage später stimmte H. dem Ermächtigungsgesetz zu. Damit setzte er die in der Weimarer Verfassung festgelegte Gesetzgebungskompetenz des Parlaments außer Kraft. H. trug somit zum Untergang der Weimarer Republik bei. Zum politischen Lebensweg H.s nach 1914 und zu den Motiven seines Handelns vgl. den Aufsatz von Wolfram Pyta im vorliegenden Band.

H.s Wille, auf Gut Neudeck bestattet zu werden, erfüllte sich nicht. Hitler verfügte die Beisetzung im Denkmal der Schlacht bei Tannenberg. Anfang 1945 wurden die Särge von ihm und seiner Ehefrau in ein thüringisches Salzbergwerk eingelagert. Die US-Armee brachte sie dann nach Marburg, wo sie in der Elisabethkirche endgültig beigesetzt wurden.

 

www.deutsche-biographie.de/pnd118551264.html; http//de.wikipedia.org/wiki/Paul_von_Hindenburg; Pyta, Wolfram: Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, München 2007; Kruse, Wolfgang: Rezension zu: Goltz, Anna von der: Hindenburg. Power, Myth, and the Rise oft he Nazis. Oxford 2009, in: H-Soz-u-Kult, 16.03.2010, ; Heinrich, Guido/Schandera, Gunter (Hg.): Magdeburger Biographisches Lexikon 19. und 20. Jahrhundert, Magdeburg 2002.

                                                                                                                                                             Maren Ballerstedt