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Helmuth Karl Bernhard Graf von Moltke

geb. 26. Oktober 1800 in Parchim
gest. 24. April 1891 in Berlin

Generalfeldmarschall

M. war der Sohn eines preußischen Hauptmanns und Gutsbesitzers, der ab 1806 in dänischen Diensten stand und später Generalleutnant wurde. Seine Mutter stammte aus einem Lübecker Patriziergeschlecht. Von seinem 11. bis zum 18. Lebensjahr besuchte M. die Land-Kadettenakademie in Kopenhagen, war dann ein Jahr lang Page des Königs Friedrich VI. von Dänemark (1768-1839) und trat 1819 als Leutnant in das dänische Infanterieregiment Oldenburg in Rendsburg ein. Ab 1822 befand er sich aufgrund besserer Aufstiegschancen in preußischen Diensten und besuchte von 1823 bis 1826 die Allgemeine Kriegsschule in Berlin. Schon wenige Jahre später wurde er zum Großen Generalstab abkommandiert, nachdem er sich zuvor im Topografischen Büro durch kartografische Arbeiten ausgezeichnet hatte. In der zweiten Hälfte der 1830er Jahre betätigte er sich als Militärberater in der Türkei, beteiligte sich auch an Feldzügen der türkischen Armee, wie gegen die Kurden und gegen Ägypten. Daneben entwarf er einen Plan zur Wasserversorgung der türkischen Hauptstadt. Er schuf die erste maßstabsgerechte Karte von Konstantinopel (heute Istanbul) und den Dardanellen. Zurück im Großen Generalstab, erhielt er den Orden pour le mérite. Bald veröffentlichte er seine Reiseerlebnisse, die auch später immer wieder aufgelegt wurden. Er heiratete 1842 die Engländerin Maria (Mary) Burt (1825-1868), die Ehe blieb kinderlos. 1845 berief man ihn aufgrund seiner umfassenden Bildung zum Adjutanten des Prinzen Heinrich von Preußen (1781-1846), der schon lange in Rom lebte. Nach verschiedenen Dienststellungen wurde M. am 22. August 1848 zum Chef des Generalstabs des IV. Armee-Korps in Magdeburg ernannt, zwei Jahre später zum Oberstleutnant und 1851 zum Oberst befördert. Seine Tätigkeit in Magdeburg endete 1855, als er erster Adjutant des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen (1831-1888), des späteren Kaisers Friedrich III., wurde. Im Oktober 1857 von dieser Stellung entbunden, führte der inzwischen zum Generalmajor ernannte M. die Geschäfte des Chefs des Generalstabes der Armee, bis er am 18. September 1858 diese Position offiziell übernahm. Zu seinen Aufgaben gehörte u. a. die zweckmäßige Befestigung der norddeutschen und preußischen Küsten und Häfen. Für den Krieg gegen Dänemark 1864 stellte er den Operationsplan auf, erhielt aber erst nach dem Rücktritt des greisen Generalfeldmarschalls Friedrich von Wrangel (1784-1877) Einfluss auf die Operationen und führte die Truppen auf die Insel Alsen. In den Kriegen 1866 und 1870/71 leitete er, dem König unmittelbar unterstellt, die Militäroperationen. Als General der Infanterie vereinte er 1866 die preußische Armee bei Königgrätz zur Entscheidungsschlacht. Auf Wunsch des Königs nahm er 1867 die Wahl in den Reichstag des Norddeutschen Bundes an. Er vertrat hier und später im Deutschen Reichstag bis zu seinem Tod den Wahlbezirk Memel-Heydekrug. Ab 1872 war er auch im preußischen Herrenhaus vertreten. Er gehörte der konservativen Fraktion an.

Am 20. Juli 1870 wurde M. für die Dauer des bevorstehenden deutsch-französischen Krieges zum Chef des Generalstabes der Armee im Großen Hauptquartier berufen. M. bereitete die Mobilmachung des Norddeutschen Bundesheeres vor und nutzte für seine strategische Pläne auch die Eisenbahnen, den Einsatz moderner Waffen und die Telegraphie. Schon etwa 30 Jahre zuvor hatte er die Nutzungsmöglichkeiten der Eisenbahnen für militärische Zwecke erkannt und damals selbst 10 000 Taler für die Errichtung der Berlin-Hamburger Eisenbahnlinie angelegt. Nach Ausbruch des deutsch-französischen Krieges setzte M. seine überragenden militärischen Fähigkeiten erfolgreich ein. Seine Strategie führte zum Sieg in entscheidenden Schlachten, u. a. bei Sedan. Als erstem modernen Feldherrn gelang ihm dort eine völlige Umfassungsschlacht.

Am 28. Oktober 1870 wurde M. in den erblichen preußischen Grafenstand erhoben. Einen Tag später empfing er anlässlich seines 70. Geburtstages den Ehrenbürgerbrief der Stadt Magdeburg. Am 16. Juni 1871, dem Tag der Rückkehr der preußischen Truppen nach Berlin, wurde M. zum Generalfeldmarschall ernannt. Zwei Jahre danach erhielt ein Fort in Straßburg seinen Namen, später auch eine Kreuzerkorvette und ein Schlachtkreuzer. Nach dem Krieg von 1870/1 stand M. noch 17 Jahre an der Spitze des Generalstabes. In dieser Funktion widmete er sich dessen Ausbau, besonders der Vorbereitung der für den Generalstab vorgesehenen Offiziere für den Dienst im Felde. Seinen 1881 eingereichten Abschied lehnte Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) ab, da nach dessen Meinung die Verdienste M.s zu groß seien, um eine Verabschiedung in Erwägung zu ziehen. Sieben Jahre später jedoch wurde der vielseitig gebildete M. unter Entbindung von seiner Stellung als Chef des Generalstabes der Armee zum Präses der Landesverteidigungskommission ernannt. Dies geschah, nachdem M. nun bei Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) um seinen Abschied gebeten hatte, da er in seinem hohen Alter nicht mehr in der Lage sei, ein Pferd zu besteigen. M., der als einer der größten Feldherren der Geschichte gilt, starb hochgeachtet und als Träger zahlreicher hoher Orden und als Ehrenbürger vieler Städte im 91. Lebensjahr. Er wurde auf seinem schlesischen Gut Kreisau bestattet, das er nach 1866 erworben hatte. Kurz nach seinem Tod erschienen in Berlin seine gesammelten Schriften und Denkwürdigkeiten. Große Beachtung fanden besonders seine zahlreichen militärischen Studien.

Die Porträts Moltkes von Franz von Lenbach (1836-1904) und von Paul Beckert (1856-1922), die sich einst im Kaiser-Friedrich-Museum in Magdeburg befanden, gingen 1945 verloren.

Priesdorff, Kurt von (Hg.): Soldatisches Führertum, Band 7, Hamburg o. J. (1939); Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte, 2. neu bearb. u. erw. Aufl., Bd. 2, München 1974; Heinrich, Guido/Schandera, Gunter (Hg.): Magdeburger Biographisches Lexikon 19. und 20. Jahrhundert, Magdeburg 2002; http://www.deutsche-biographie.de/sfz64976.pdf.

                                                                                                                                                                                                                                                       Maren Ballerstedt