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1000 Jahre Chorgesang im Kaiser-Dom zu Magdeburg  – Premiere des neuen Mag­deburger Domchorbuches von Helga Hess und Martin H. Groß

Die älteste gotische Kathedrale auf deutschem Boden, der Magdeburger Dom, beherbergt viele Kunst- und Musikschätze neben der so wichtigen Kaiser-Grabstätte Otto des Großen und seiner Gattin Königin Editha. Auch das immaterielle Weltkulturerbe „Orgeln und Orgelmusik“ wird durch eine hervorragende Orgellandschaft mit gleich vier Orgeln und eben auch durch das immaterielle Kulturerbe „Chorsingen“ mit der über 1000-jährigen Chortradition am Magdeburger Dom vertreten.

Der Magdeburger Domchor wurde 2019 mit der Zelter-Plakette des Bundespräsidenten für sein 200-jähriges Bestehen seit der Wiedergründung geehrt. Diese Zeitetappe stellt allerdings nur einen kleinen Teil der Magdeburger Domchor­ge­schichte in der langen Historie des Chorgesangs in der Kathedrale dar.

Helga Hess und Martin Groß haben sich in den vergangen Jahren und Jahrzehnten sehr detailliert mit der Geschichte des Magdeburger Domes und des Domchores beschäftigt. Umfangreiche Quellen- und Recherchearbeit leisteten sie zu­sammen mit Ulrike Groß für das nun gemeinsam vorgelegte Buch mit dem Titel „Der Magdeburger Domchor – 1000 Jahre Chorgesang im Kaiser-Dom zu Magdeburg“, das eindrücklich zeigt, wie eng verbunden der Magdeburger Dom und der Domchorgesang immer war und bis heute ist.

Die Geschichte des Domchores und seines Gesangs

Bereits zu Zeiten des 937 gegründeten Benedektiner-Klosters wurde gesungen, bevor die Klosterkirche 968 zur Kathe­drale erhoben wurde. Das Erzbistum wollte nunmehr in hohem Maß den Chorgesang fördern und so wurde die Kloster­schule und später die mittelalterliche Domschule ein wichtiger Ort für die Chorausbildung der Dom-Schüler. Nachweislich wissen wir, dass 1228 der erste Domkantor Ludwig von Löwenburg seinen Dienst aufnahm.

Er plante die musikalischen Abläufe der Gottesdienste und unterwies die Sänger der Domschule. Die Chorleitung selbst oblag aber den sogenannten Succentoren. Anfänglich gab es neun Alleluja Knaben und eine Anzahl erwachsener Sänger, die den „Domchor“ bildeten, die alle noch in der sogenannten Choraley wohnten. Es folgte eine lange Reihe zahlreicher Domkantoren, darunter Otto von Brietzen, Gottfried von Hessen, Siegfried von Querfurt, Heinrich von Angern oder auch Burchard von Steinbeck, um nur einige zu nennen. Nach und nach entwickelte sich der Chorgesang vom einstimmigen Singen immer stärker hin zur Mehrstimmigkeit. Im Magdeburger Dom waren unter Domkantor Moritz von Schönau dann auch schon polyphone Klänge zu hören.

In der Reformationszeit wirkte Martin Luther entscheidend gerade auch in Magdeburg mit, eine „protestantische“ Kirchen­musik zu etablieren. So wurde auch eine neue Schule, das „Altstädtische Gymnasium“, gegründet und gleichzeitig eine neue Kantorei etabliert, die den führenden Chor der Stadt darstellte, während der Dom für öffentliche Gottesdienste Jahr­zehnte lang vom Rat der Stadt geschlossen war, weil das Domkapitel nicht den neuen Glauben annehmen wollte. Erst nach langem Zögern trat dann auch das Domkapitel 1567 zum Protestantismus über und so veränderte sich die Arbeit der alten Domschule und Domkantorei grundlegend. Die Kirchenlieder waren textlich und musikalisch neu gefasst und die singende Gemeinde erhielt ein größerer Gewicht im Gottesdienst. Mit der ebenfalls 1667 gegründeten Evangelische Dom­schule konstituierte sich 1686 dann der Domchor als „chorus symphonicus“, der nun auch mehrstimmig sang und den so­genannten „modernen konzertierenden Stiel“ pflegte.

Ab 1693 besuchte auch der berühmte Magdeburger Komponist Georg Philipp Telemann diese Domschule. 1810 wurde das ehrwürdige Domkapitel durch Napoleon einfach aufgelöst, womit auch das vorläufige Ende des Domchores besiegelt war. 1819 kam es aber nach der Niederlage Napoleons, mit Unterstützung Karl Friedrich Zelters, zur Neugründung des Magdeburger Domchores, der seine Sänger langjährig aus dem 1822 aus der evangelischen Domschule des 17. Jahr­hunderts gegründeten Domgymnasium rekrutierte, das seit der Wende wieder als solches existiert.

Seit 1819 wird unter den verschiedenen Domchorleitern nun schon wieder seit über 200 Jahren ununterbrochen die Dom­musik gepflegt, allerdings erneut mit Rückschlägen durch die Weltkriege, wie schon im Dreißigjährigen Krieg und der Napo­leonzeit. Mit den Domchorleitern im 20. Jahrhundert wie Kuhne, Engelke, Henking, Chemin–Petit, Baumgarten, Hoff  bis hin zu Barry Jordan wurden vielfältige neue Akzente in der Dommusik gesetzt, mit denen sich das Repertoire des Dom­chores stetig erweiterte. Dazu gehörten neben dem Standardrepertoire Singspiele, Synagogalkonzerte, moderne Chormusik wie auch Schallplatten- und Rundfunkaufnahmen.

Viele Jahre reiste der Domchor neben der Reisetätigkeit in Deutschland auch international, sogar bis nach Finnland, bis sich das Reisen in der Zeit der deutschen Teilung allein auf die DDR beschränken musste. Noch kurz vor der Wende ge­lang es nach 27 Jahren erstmals doch wieder eben noch zu DDR-Zeiten, zu einem Domchorfestival nach Utrecht in Hol­land fahren zu dürfen. Mit der Wende waren dann wieder Chorreisen - zuerst noch unter Günter Hoff - nach Schweden und Israel möglich. Seit 1994  - dann unter Barry Jordan wurden bei weiteren zahlreichen Chorreisen nach Frankreich, Schweiz, England, Italien, Österreich, Tschechien und Finnland weitere internationale Akzente gesetzt.

Auch mit mehreren CD-Aufnahmen trat der Magdeburger Domchor hervor. Besonderes Gewicht bekamen u.a. berühmte Englische Chorwerke von Edward Elgar und Benjamin Britten. Und Jordan komponierte sogar eigens ein Oratorium zu Barlachs „Denkmal der Krieges“ im Dom mit dem Titel „Die Eiche im Dom“, das der Domchor uraufführte.

Ab dem 1. Advent diesen Jahres hat nun Christian Otto aus Leipzig als neuer Domkantor die Leitung des Domchores übernommen und versieht zusätzlich, wie schon seine drei Vorgänger, auch noch das anspruchsvolle Amt des Dom­organisten in einer ganz besonderen wieder hergestellten Domorgellandschaft.

Das Domchorbuch erwerben

Das Domchorbuch ist für 25 € am Kartentisch im Magdeburger Dom, in der Buchhandlung Fritz Wahle, der Buchhandlung Fabularium, der Buchhandlung Barthel und Gand, sowie bei Magdeburg Souvenir oder dem Dommuseum erhältlich. Die Einnahmen kommen ausschließlich der Domchorstiftung zur Förderung des Domchornachwuchses zugute.

12.12.2023